Der Weg einer Pilgerin

von Sr. Eveylin Ziliwu OSF

Interview mit Sr. M. Evelyn Ziliwu 

Ihr Leben als Missionarin in Deutschland ist ein lebendiges Zeugnis ihrer Berufung, das sie heute mit großer Hingabe als Leiterin der Missionsprokur der Franziskanerinnen von Reute lebt. Trotz vieler Herausforderungen und Schwierigkeiten, bleibt sie standhaft im Glauben und erfüllt ihren Dienst mit Mut, Liebe und franziskanischem Geist. In allem erkennt sie Gottes Führung und Segen, der sie trägt und stärkt – Tag für Tag. Und so hat Sr. Evelyn ihre Geschichte aufgeschrieben, um Mut zu machen. 

Ihr Buch trägt den Titel „Der Weg einer Pilgerin“. Was bedeutet Pilgersein für Sie persönlich? 
Für mich ist Pilgern ein Bild des Lebens. Ich bin unterwegs, bleibe nicht an einem Ort, bin auf der Suche, bis ich mein Ziel erreiche – ein Ziel, das ich in diesem Leben nicht erreichen werde, sondern erst, wenn ich bei Gott angekommen bin. Jeder Tag ist ein Schritt, manchmal leicht, manchmal mühsam. Doch auf jedem Schritt erfahre ich, dass Gott mit mir geht. Inspiration für den Titel des Buches war das Jahr 2025 mit dem Motto „Pilger der Hoffnung“, und zugleich der Blick zurück auf 25 Jahre seit meinem eigenen Professjubiläum als „Mein Weg als Pilger“. 

Sie schreiben eindrucksvoll über das Schiffsunglück aus dem Jahr 2006, das Sie nur knapp überlebt haben. Wie hat dieses Erlebnis Ihr Gottesbild verändert? 
Ich wurde ein zweites Mal geboren, und ich hätte nicht gedacht, dass ich noch weiterleben darf – und das nur einen Monat nach meiner ewigen Profess! Ich war die Erste, die gerettet wurde, als ein kleines Fischerboot mich sah und hörte, wie ich um Hilfe rief. Gemeinsam haben wir die anderen Überlebenden aus dem weiten Ozean gerettet. Dieses Ereignis gab mir ein tiefes Gottvertrauen, und es ist immer noch wie ein Wunder für mich. Ich klammerte mich an ein Brett, das im Ozean trieb, den Wellen ausgeliefert und erschöpft. Das Brett war wie Gottes Hand – es hat mich gehalten. Ohne dieses Brett und dieses Vertrauen in Gott wäre ich dem Tod näher gewesen als dem Leben. 

Ihr Buch verbindet persönliche Erfahrungen mit biblischen Zitaten. Welche Bibelstelle begleitet Sie besonders durch Ihr Leben? 
„Der Herr ist mein Licht und mein Heil – vor wem sollte ich mich fürchten?“ (Psalm 27) Der liebe Gott hat mich oft gerettet; ich glaube, er braucht mich noch (Sr. Evelyn lacht herzlich und verschmitzt). Ob bei dem Unglück im Ozean, ob in einem kleinen Flugzeug, das stundenlang wegen des schlechten Wetters nicht landen konnte und uns doch heil wieder zurückgebracht hat, oder bei zwei Autounfällen – Gott begleitet mich, ich vertraue ihm. Und durch all diese Erfahrungen bin ich frei und freue mich auf und über jeden neuen Tag. 

Sie sprechen in Ihrem Buch von Lebensfäden. In Reute wird am Ort der Stille unter der Franziskuskapelle zukünftig von Lebenslinien der Künstlerin Mahbuba Maqsoodi durchzogen. Welchen Faden, welche Linie hat sich durch Ihr Leben gezogen? 
Ich verstehe mein Leben als einen Faden in Gottes Hand. Er ist der große Weber, der aus vielen einzelnen Strängen ein kunstvolles Gewebe entstehen lässt. Jeder Faden hat seine eigene Farbe, seinen eigenen Glanz – und doch fügt Gott sie so zusammen, dass ein harmonisches Bild entsteht. Selbst wenn sich Fäden einmal verknoten, glättet er sie wieder und schenkt ihnen neue Ordnung. Ich bin mit 19 Jahren ins Kloster eingetreten. Eine Schwester dort hat mich unglaublich fasziniert; sie war mein großes Vorbild. Und gleichzeitig wusste ich, wie groß die Herausforderung sein würde. „Ich glaube, das ist nicht mein Weg“, sagte ich damals zu meiner Formationsleiterin. In einer Auszeit betete ich darum, dass Gott mir meinen Weg zeigen möge und wie ich ihn weiterlaufen kann. „Ich bleibe“, so entschied ich, und dass Gott mich in schwierigen Zeiten begleiten wird, war mir nach dieser Erfahrung sicher. 

Sie schreiben Gedichte? Was ist Ihre Motivation dahinter? 
Ich selbst schreibe sehr gerne – sowohl privat auf Facebook als auch in Form von Statusmeldungen auf WhatsApp. Für mich ist das Schreiben eine Möglichkeit, meine Freude und meine Erlebnisse zu teilen. Wenn ich zum Beispiel auf Reisen bin, etwa in Indonesien, oder neue Erfahrungen sammle, halte ich diese gerne in Fotos fest. Besonders die Schwestern in Reute freuen sich immer, wenn sie Neuigkeiten von mir sehen oder lesen. Das Schreiben bedeutet für mich Entspannung und tut mir einfach gut. Gleichzeitig teile ich gerne meine Eindrücke und Geschichten – manchmal sogar so viel, dass ich beim gemeinsamen Essen noch erzähle, während andere schon fertig sind. Doch genau dieses Teilen macht Freude: Man schenkt Zeit, Erfahrungen und kleine Momente, die nicht nur einem selbst guttun, sondern auch anderen. 
Natürlich gibt es in Deutschland beim Teilen von Fotos den wichtigen Aspekt des Datenschutzes. Das kann manchmal eine Herausforderung für meine Arbeit in der Mission sein. Wir möchten dort helfen und aufmerksam machen – doch wenn ich über Kinder und ihre Not berichte, darf ich sie nicht zeigen, sondern nur die Gebäude. Das macht es schwieriger, die Realität sichtbar zu machen. 

Wenn man Ihr Buch liest, bekommt man das Gefühl, Sie würden zwei Leben in einem führen – ein Leben in Indonesien und eins in Deutschland, verbunden durch die tägliche Arbeit. Wie empfinden Sie das? 
Ich bin jetzt zum dritten Mal in Deutschland. 2010 und 2011 war ich hier, um die Sprache zu lernen und somit die Verbindung zwischen Indonesien und Deutschland zu stärken, denn in Indonesien war ich für die Buchhaltung zuständig. Und im Dezember 2020 riefen mich die Schwestern in Reute als Unterstützung für Sr. Margot, die heute 76 Jahre alt wird, zu sich, um die Missionsprokur gemeinsam mit ihr zu führen. Ich habe als Schwester Gehorsam gelobt, und es war der Wille der Gemeinschaft, dass ich nach Deutschland gehe. Es ist nicht immer einfach, auch wenn ich Teil der Gemeinschaft bin, so sind doch die Freunde in Indonesien, und ich habe hier ein ganz neues Leben angefangen. Ich lache laut und viel – es ist eine andere Mentalität, ein anderes Klima, eine andere Atmosphäre. Was ich toll finde, ist, dass ich von hier aus die Kinder direkt unterstützen kann. Dass das, was ich tue, direkt der Mission in Brasilien und in Indonesien zugutekommt. Ich helfe gerne anderen Menschen und lebe nicht nur für mich, sondern auch für andere. Es ist nicht immer leicht, und ich habe viel erlebt. Ich lebe ja noch – also vertraue ich auf Gott und darauf, dass er mir den Weg in diesen Herausforderungen zeigt. 

Fragen Sie gerne um Hilfe? 
Manchmal tue ich das. Im Ozean habe ich um Hilfe gerufen. Als mir der Mut zugesprochen wurde, dieses Buch zu schreiben, habe ich zufällig eine Frau getroffen, ebenfalls Indonesierin – und sie war Übersetzerin! Und so traute ich mich, mit ihrer Hilfe und der Unterstützung des Paters, mein Buch auch auf Deutsch zu schreiben. So ist das Buch mit der Hilfe vieler helfender Hände entstanden – und mit viel Mut von meiner Seite, denn es ist schon sehr persönlich. Das positive Feedback der Schwestern hat mich dabei am meisten gefreut. Sie sagten, sie seien beeindruckt von dem, was ich geschrieben habe, und wie ich es geschrieben habe. Über dieses Feedback bin ich dankbar! 

Wofür sind Sie dankbar? 
Ich bin dankbar, dass ich bis hierhin alles erleben durfte. Ich habe viele schwierige Situationen und schwierige Zeiten überstanden – und das immer mit einer positiven Einstellung. Denn positives Denken macht uns stark und zufrieden. Und das gibt Vertrauen, dass alles gut wird. Und dann braucht man noch Geduld für den Prozess. Wir dürfen nie aufgeben, wir müssen immer dranbleiben – mit Gottes Hilfe. Denn nach dem Regen kommt der Regenbogen, so sagt man in Indonesien.

Der Grundsatz meines Lebens lautet: 
Gottes Hand in meiner Hand 
Sein Herz in meinem Herzen 
Seine Liebe in meiner Liebe 

Die Spuren des Reisenden 
In der Weite des Horizonts schreitet der Reisende voran, 
folgt namenlosen Spuren 
Eine Symphonie hallt in seiner Seele, 
auf seinem Rücken thront die Last der Geschichten der Liebe, hängt wie die Dämmerung, die sich weigert zu verschwinden. 
Seine Schritte schwanken auf dem steinigen Weg, 
der Wind flüstert, doch er lindert den Kummer nicht. 
Obwohl er die erdrückende Stille durchquert, 
zieht sie die Hoffnung mit sich, die fast erloschen ist. 
Obwohl der Himmel die Augen schließt, klopft die Erde an die Brust, 
doch der Reisende fühlt sich niemals allein, 
denn die Sterne führen ihn in der stillen Nacht, 
die Wellen begrüßen ihn am einsamen Ufer, 
und die Fäden der Liebe flüstern weiterhin, 
dass jeder seiner Schritte ein Lied ist, 
jeder Atemzug eine Hoffnung, 
jeder Misserfolg das Tor zum Anfang des Erfolgs. 
Der Reisende ist nicht allein im Verlauf der Zeit: 
die Natur ist sein Freund, 
ie Reise ist sein Zuhause, 
die Spuren sind seine Liebe, 
und Gott - Emanuel – ist immer in seinem Leben gegenwärtig.