Eine neue Kultur für die katholische Kirche

Reute/Bad Waldsee, 29. April 2019. Rund 150 Katholiken setzten am Montagabend im oberschwäbischen Kloster Reute ein Zeichen für die Weihe von Frauen in der katholischen Kirche. Bei einem Gebetsweg auf dem Klostergelände legten Frauen an fünf Stellen „Steine des Anstosses“ ab und beklagten den Stillstand der Amtskirche in dieser Frage, klerikale Strukturen und eine „Diskrepanz zwischen Lebenswirklichkeit und Kirchenlehre“. Dass „die katholische Kirche dringend Reformen braucht“, so Veronika Rais-Wehrstein vom Präsidium des Diözesanrates, war bei der anschließenden Podiumsdiskussion Konsens.

„Begründungspflichtig ist nicht, warum Frauen zur Weihe zugelassen werden sollen, sondern warum ihnen der Zugang zu den Ämtern verwehrt wird“, erklärte Bundesvizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB) Birgit Mock. Gemeinsam mit dem Rottenburger Weihbischof Matthäus Karrer, der Diözesanrätin Margret Kehle und der Diözesanjugendseelsorgerin vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Nadine Maier diskutierte sie die Frage, welche Bedeutung die Beteiligung der Frauen an den Ämtern für die Zukunft der katholischen Kirche hat.
Keine Einigkeit in der Bischofskonferenz Weihbischof Matthäus Karrer wies darauf hin, dass sich hinter der Frauenfrage auch eine Machtfrage verberge. Er plädierte für Leitungsteams statt einer Machtkonzentration bei den Bischöfen und anderen Amtsträgern. Allerdings erschwerten gegenläufige Strömungen in der Bischofskonferenz Veränderungen: „Einige Bischöfe denken immer noch naturrechtlich und lehnen die Zulassung von Frauen zu den Ämtern ab. Andere argumentieren historisch und akzeptieren ein Diakonat der Frau, sofern es geschichtlich nachweisbar ist. Ich selbst gehöre zu den pastoraltheologisch orientierten Bischöfen, die vertreten, dass Theologie sich fortlaufend beweisen muss in der Auseinandersetzung mit aktuellen Themen und Entwicklungen. Dazu gehören eben auch die 150 Jahre Frauenrechtsbewegung.“ Insgesamt macht Karrer einen positiven Trend in der Bischofskonferenz aus: „Papst Franziskus tut uns gut, er hat eine neue Kultur in die Bischofskonferenz gebracht.“

Applaus erhielt die Generaloberin der Franziskanerinnen von Reute, Ordensschwester Maria Hanna Löhlein für ihre provokante Frage: „Wenn Jesus Frauen um sich gesammelt hat, wenn er Maria von Magdala zur ersten Osterzeugin macht, wenn Gott sich von einer Frau als Mensch zur Welt bringen lässt, wie können wir da noch argumentieren, dass Frauen nicht in Ämter kommen können?“ Die größte Spaltung in der Kirche verlaufe derzeit nicht zwischen unterschiedlichen Denkrichtungen, sondern zwischen Kirchenvolk und Klerus: „Ich sehe immer mehr Menschen, die nicht mehr verstehen, was unsere Amtskirche tut oder nicht tut.“ Die Bischöfe müssten Schritte gehen „in eine Richtung, die den Menschen Hoffnung gibt“, so die Generaloberin, zuhören reiche nicht mehr. So könnte eine neue Kirchenkultur aussehen Gemäß dem Motto der Veranstaltung „Macht Kirche zukunftsfähig!“ beschrieben die Frauen auf dem Podium, wie die römisch-katholische Kirche zukunftsfähig werden könnte.

Birgit Mock vom Frauenbund begrüßte die von den Bischöfen im März verabschiedete Quote von einem Drittel Frauen in kirchlichen Führungspositionen. Sie ist sich sicher, dass Frauen in Führungspositionen die Kultur der Kirche positiv verändern. Das sei eine Grundlage für geteilte Verantwortung. Derzeit hätten in den deutschen Bistümern Frauen durchschnittlich 19 Prozent der oberen Führungspositionen inne. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart seien von 17 Hauptabteilungsleitungen drei weiblich besetzt. „Da ist noch Luft nach oben. Die Kirche kann froh sein, dass sie diese Frauen überhaupt noch hat“, betonte Mock.

BDKJ-Diözesanjugendseelsorgerin Nadine Maier problematisierte: “In den Jugendverbänden erleben die Kinder und Jugendlichen demokratische Mitbestimmung und paritätisch besetzte Leitungsteams. Wenn sie erwachsen werden und in der Kirche bleiben, ist nichts mehr davon da.“ Die Praxis der Jugendverbände sei ein gutes Modell für die Kirche als Ganzes, findet Maier. Generaloberin Löhlein erklärte, in ihrem Orden seien Leitungsämter auf begrenzte Zeit gewählt, die Führungskräfte würden fortlaufend kritisch hinterfragt und legten am Ende der Amtsperiode Rechenschaft ab. Das sei eine „Riesenchance“ und ein gutes Vorbild, wie in der Kirche die Getauften gemeinsam Verantwortung tragen könnten.

Diözesanrätin Margret Kehle Kehle aus dem Dekanat Allgäu-Oberschwabenlegte den rund 150 Anwesenden die Aktion Maria 2.0. ans Herz. Zwischen dem 11. und 18. Mai werden bundesweit und bei mindestens 14 Aktionen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart (u. a. in den Dekanaten Biberach, Böblingen, Esslingen-Nürtingen, Friedrichshafen, Heilbronn-Neckarsulm, Ludwigsburg und Stuttgart) Frauen demonstrativ eigene Gottesdienste feiern, ihr Ehrenamt ruhen lassen oder ein Alternativprogramm zum regulären Kirchenbetrieb veranstalten. „Mit diesen Streikaktionen wollen wir nicht die Kirchengemeinden blockieren, sondern im Gegenteil zeigen, dass wir Frauen in der Kirche präsent sind und viel für die Kirche tun.“ Die Frauen könnten in der Bibel, aber auch unter ihren Müttern und Großmüttern, die das Frauenwahlrecht erstritten hätten, Vorbilder finden: „Warum sollten wir uns nicht mutig hinstellen und für unsere Kirche kämpfen“, ermutigte Kehle.

 

Seit 1998 setzt sich der Katholische Deutsche Frauenbund am 29. April, dem Gedenktag der Heiligen Katharina von Siena, mit dem "Tag der Diakonin" für die Zulassung von Frauen zum diakonischen Amt in der Kirche ein. Der Diözesanrat hat sich im Juni 2016 dem Netzwerk „Diakonat der Frau“ angeschlossen und hat sich wiederholt für ein partnerschaftliches Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche ausgesprochen. Seit 2018 ist er Mitveranstalter des Tags der Diakonin in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

(aus: PM des KDFB; Quelle Bild + Text: Cäcilia Branz)